Brexit: Warenverkehr läuft noch nicht rund

a. hartrodt UK baut Verzollungsangebot aus und verstärkt Experten-Team.
01.06.2021

Andreas Russ, Managing Director UK/Ireland bei a. hartrodt in London, beobachtet „zwei verschiedene Ansätze“, seitdem Großbritannien und die EU seit Jahresbeginn eine Zollgrenze trennt. Die EU-Seite prüfe Dokumente akribisch bei Importen in die EU. Anders der britische Zoll: „Fast alles wird durchgewunken, nur Waren wie zum Beispiel Alkohol oder Tabak werden kontrolliert. Das bedeutet höhere Kosten für britische Exporte, gleichzeitig laufen Importe nach UK dank temporärer Erleichterungen relativ problemlos.“ Großbritannien verlängert die Möglichkeit, Zollanmeldungen für EU-Standardwaren aufzuschieben, teilweise bis 1. Januar 2022. „Für Kunden von a. hartrodt ist das eine Erleichterung, weil sie die Einfuhranmeldung erst sechs Monate nach dem Import abgeben müssen“, sagt Russ. Er empfiehlt aber, das nicht hinauszuzögern.

Handelsvolumen mit EU stark geschrumpft

Der Außenhandel weist indes deutliche Bremsspuren auf: Im Januar und Februar 2021 lagen britische Importe aus der EU laut Germany Trade & Invest 19,2 Prozent unter dem Jahresschnitt 2018–2020 (Export: minus 17,2 Prozent). Das stark geschrumpfte Handelsvolumen führt Russ auch darauf zurück, dass viele Unternehmen „gebunkert“ hätten. Russ: „Vor allem Online-Händler eröffneten im Vereinigten Königreich und in der EU Läger und Niederlassungen, um Kosten zu sparen.“

a. hartrodt steht auf staatlicher Zollagenten-Liste

Brexit-bedingt bietet a. hartrodt UK verstärkt Import- und Export-Verzollung an, vorrangig für Bestandskunden. Die Spedition steht auf der staatlichen Zollagenten-Liste: „Wir werden seit Januar mit Anfragen bombardiert“, berichtet Russ. Deshalb muss er sein aktuell 30-köpfiges Team weiter aufstocken – allerdings ist der Personalmarkt wie leergefegt. Seit Januar sucht a. hartrodt für die Büros in Liverpool und London-Heathrow je einen Zollexperten. „Besonders kompliziert sind Einfuhr und Export von Nahrungsmitteln, weil dabei auch Gesundheitszeugnisse benötigt werden“, erläutert Russ.

Überlagert wird der Brexit von Corona: Laut Bank of England fiel das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal um 8,75 Prozent niedriger aus als vor der Pandemie. Für 2021 hat die Zentralbank ihre Prognose für das BIP-Wachstum aber auf 7,25 Prozent angehoben. Doch Russ erwartet, dass die Verzollung bis Jahresende immer noch nicht rund läuft.

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